Demnächst in diesem Theater

Wald4
Foto: Henry Herkula, Wildnis II, 19CC by Lizenz

Erneuter Crosspost vom gleichnamigen Speakers‘ Corner Artikel auf moviepilot.

Pilotensch(w.)ein

Gestattet mir eine letzte Zwischenlandung auf dem Weg zum Zielflughafen. Wir haben das von manchen erwartete Drehbuch schon an Bord der Maschine, noch reift es hier ein bisschen vor sich hin, ehe wir es in Kürze – selbst wenn noch immer nicht ganz ausgereift – auf euch los lassen werden. Zum Verzehr ist es bereits geeignet, und es wird spannend sein, wer hier am Ende wen frisst.

Vielleicht habt ihr euch schon gefragt, wo wir so lange waren, hatte ich unsere Rückkehr in die Speakers’ Corner doch schon voreilig für den Januar angekündigt. Dann wurde unsere Maschine aber entführt und umgeleitet. Von einem Agenten. Nein, nicht Agent Smith93, auch nicht 007, sondern so einem wie in frühen Woody Allen Filmen. Und dem Rat jenes Agenten folgend haben wir die Flugroute geändert, und haben in Windeseile eine Prequel-Serie zusammen geschraubt, die noch vor unserer Hauptserie spielt, und vielleicht sogar einen eigenen Titel verdient.

Verzeiht, erinnert ihr euch überhaupt noch an das hier vor ein paar Monaten vorgestellte Crowdwriting-Projekt W.? Vielleicht habt ihr den Blog nicht weiter verfolgt, obwohl wir dort fleißig weiter geschrieben und mit Ideen und Hintergründen um uns geschmissen haben. Vielleicht konntet ihr das gar nicht, weil ich im Zuge einer NSA bedingten Paranoia vor US-Servern so lange am Unterbau des Blogs herum geschraubt und Plugins ausgemistet habe, dass bei der Gelegenheit leider mal eben alle existierenden RSS Abos über den Jordan geschickt wurden. Dran glauben reicht eben nicht. Bei allen von meiner Gründlichkeit Betroffenen bitte ich um Verzeihung für meine mangelnden Administrationskenntnisse, die hoffentlich Geheim- und Gemeindiensten genügend Abschreckungspotential bieten. Diesmal waren weder GEMA, Google noch Telekom schuld, sondern ein zu frei codierender Autor. Der neue Feed funktioniert nun (bis ich auch den versehentlich abschieße), und ihr seid alle erneut herzlich zur Teilnahme eingeladen, wenn ihr euch von ein bisschen Chaos nicht abschrecken lasst.

Die Vorgeschichte spielt nach unserer Umprogrammierung jetzt nicht mehr in Bayern, sondern in Nordrhein-Westfalen. Bei der Gelegenheit klopfen wir direkt mal bei Herrn Schönenborn an – wir haben sie letzte Woche rufen gehört und Beifall geklatscht. Wenn jetzt auch noch Taten folgen würden… Ein klarer Fall von “be careful what you wish for”, oder tatsächlich ernst gemeint? Wir sind übrigens alle unter 60, und überaus internetaffin, falls wir das tatsächlich noch extra betonen müssen. Ach, Verzeihung, “crossmedial” muss man sagen, Hauptsache mit Netz und doppeltem Boden.

Wie dem auch sei, die Hauptgeschichte spielt immer noch in Bayern, wir führen nur einige Charaktere früher ein, mit denen wir dann dorthin zurück kehren. Da wir uns dort aber nicht an Sehenswürdigkeiten orientieren, haben wir auch kein Problem damit “unser” Bayern ganz woanders zu drehen, ebenfalls in NRW zum Beispiel. Das wäre dann ohnehin ein überfälliger Karma-Ausgleich für ROTE ERDE. Dieser spontane Transfer unserer Geschichte ist jedenfalls gelungen und erweist sich inzwischen in jeder Hinsicht als Glücksfall. Schwein muss man haben. Denn in einem Prequel kann man zudem noch Sachen ausprobieren, Methoden verfeinern, den richtigen Rhythmus finden. Wir erwerben unseren Pilotenschein, wenn man so will, schreiben auf Sicht und schwingen uns langsam in sichere Höhen auf. Mit Schwimmflügeln. Damit wir bei einem Notwasserung nicht in stillen Wassern absaufen. Das ist der Plan, weder zu sehr abheben, noch untergehen.

Pilot-Season in the Abyss

Womit wir beim Thema wären: Der Besonderheit solcher Pilotfilme, wie wir ihn nun geschrieben haben und gerade verfeinern. Deren Produktion ist üblicherweise vom Rest der Staffel getrennt, und entscheidet erst über deren Produktionsauftrag. Das hat in der Vergangenheit oft dazu geführt, dass die Autoren und Showrunner sich eher selten Gedanken darüber gemacht haben, wie es denn danach überhaupt weiter gehen soll. BREAKING BAD war so ein Fall, und man sieht es dem durch und durch perfekten Piloten nicht an, dass er bzw. sein Showrunner nur eine vage Ahnung davon hatten, wie es nach dem Piloten überhaupt mit Walter White weiter gehen könnte. Außer dass er mal zu einem Drogenkönig werden sollte. Aber das “wie” stand noch völlig in den Sternen. Rückblickend ist das für mich heute einer der faszinierendsten Aspekte an BREAKING BAD: Das, wofür man die Serie lieben wird, lernt man erst nach(!) der äußerst überzeugenden, beispielhaften Exposition kennen, wenn sie zu ihrem wahren Tempo findet. Und am Ende passt genau die Folge, die seinerzeit für das „grüne Licht“ verantwortlich war, am allerwenigsten zum Rest, ja wirkt fast wie ein Fremdkörper.

Und so ist es üblich geworden, dass eine Serie ihren wahren Erzählrhythmus oft erst findet, nachdem man im writers’ room die ganze Staffel zusammen geschraubt hat. Der Vorteil für die neu hinzu gestoßenen Autoren ist, dass sie sich nicht mehr die Hauptfiguren vorstellen müssen, sondern die Rollen bereits besetzt sind, und sich ein inspirierender “Rückkopplungseffekt” einstellt. So wurde aus dem Schwager von Walter White erst der Hank, den wir alle lieben, nachdem die Autoren dem Charme von Dean Norris’ Spiel erlegen sind.

Jetzt gibt es aber noch ein anderes Extrem. Bei einer Adaption wie GAME OF THRONES liegt der Fall nämlich anders – die Geschichte hat bereits einen Anfang, eine Mitte und ein Ende (wobei letzteres nur eine Handvoll Menschen kennt). Dafür verschätzten sich hier die Showrunner Benioff und Weiss nicht im Rhythmus der Serie, dafür aber in der Gesamtlänge der ersten Staffel, und mussten ein paar Szenen nachträglich schreiben, die dazu in den bereits vorhandenen Kulissen mit wenig Aufwand entstehen mussten. Das ist ihnen mehr als gut gelungen, weil sie die Darsteller lange genug in ihren Rollen haben plastisch spielen sehen. Auch hier profitieren die Autoren von diesem eben beschriebenen Rückkopplungseffekt. Inzwischen sind die beiden in ihre Rolle als Showrunner mehr als gut hinein gewachsen. Das zwei fernsehunerfahrene Autoren wie D&D überhaupt diese Chance bekommen haben, liegt weniger an dem Mut von HBO, sondern daran, dass sie die einzigen waren, die mit ihrem Konzept einen anderen Autoren davon überzeugt haben, ihnen die Rechte an der Verfilmung überhaupt erst anzuvertrauen: George RR Martin.

Wie empfindlich diese Rückkopplung gestört werden kann, zeigt zum Beispiel der ursprüngliche Pilot von GAME OF THRONES, von dem einige Szenen neu gedreht werden mussten, weil einige Rollen am Ende mit anderen Schauspielern besetzt wurden. Noch heute verursacht die ausufernde Besetzung des Dramas einen “Berg” an Arbeit nach sich, und es dient nicht gerade der Übersichtlichkeit, wenn man dann die gleiche Rolle mehrfach neu besetzen muss, weil Darsteller aufgrund von Terminen nicht zur Verfügung stehen. BREAKING BAD ging es ähnlich: Als die Autoren erfuhren, dass ihnen der Darsteller Tuco nicht länger zur Verfügung stehen würde, machte sie die Not so erfinderisch, dass sie sich Gus Fring einfallen ließen.

Uns schwebt nun das Beste aus beiden Varianten vor: Einerseits wollen wir den Handlungsbogen der ganzen Staffel auf dem Schirm haben, und gleichzeitig die Rollen so früh wie möglich fest besetzen. Darum werden wir nicht warten, bis man uns “grünes Licht” gibt, sondern wollen unser “blaues Wunder” der Rückkopplung so früh wie möglich erleben. Darum wollen wir uns ja bereits mit dem Drehbuch des Piloten und damit einher gehend der Besetzungsfrage an euch wenden. Darüber hinaus könnt ihr jederzeit mit uns ins Gespräch kommen. Einige von euch haben ja auf dem Blog schon regen Gebrauch von dieser Möglichkeit gemacht, und das Projekt besser gemacht, als es ohne euch geworden wäre, und dabei habe ich noch gar nicht alle Beiträge in der “hall of fame” eingetragen. Wir übertragen den “open source” Gedanken vom Code schreiben auf das Drehbuchschreiben. Eigentlich naheliegend und logisch, oder? Freie Software ist längst in vielerlei Dingen der Käuflichen überlegen; höchste Zeit also dieses Prinzip auch auf anderen Gebieten zur Anwendung zu bringen. Dabei ist moviepilot fortan unser GitHub.

Welcome to W.rite Club

Unsere erste Bilanz fällt schon jetzt mehr als positiv aus und wir fühlen uns darin bestätigt, dass man Stoffe nicht mehr hinter verschlossenen Türen entwickeln sollte. Sie sind doch sowieso für ein Publikum gedacht, also können wir auch von Anfang an ihm arbeiten, uns Fragen stellen und Tipps geben lassen. Wir sind ja immer noch der Filter, der wenn nicht unbedingt täglich, so doch regelmäßig damit arbeiten muss. Am Ende wollen wir es auch nicht allen Recht machen, sondern die Geschichte so gut wie möglich erzählen, und uns dabei auf die Eingebungen von vielen Menschen stützen.

Gemeinsam leisten wir so Pionierarbeit, und langsam werden selbst etablierte Spieler, Sender und Kanäle auf dem Markt auf unser gar nicht mehr so kleines Projekt aufmerksam. Um so wichtiger ist es, das wir es jetzt nicht vermasseln, sondern uns in Rücksprache mit euch die richtigen Partner wählen, wenn sich uns die richtigen Türen öffnen.

“You only get one shot, do not miss your chance to blow.” (Eminem)

Wer den Film 8 MILE gesehen hat weiß, das es nicht nur eine Chance gab Mist zu bauen, und dass es wichtiger ist nicht aufzugeben, und eine eigene Sprache und einen unverwechselbaren Rhythmus zu finden. Daher nehmen wir uns für unseren ersten Schuss gerade extra viel Zeit, damit er auch wirklich sitzt. Alles was später von Wichtigkeit sein wird soll darin bereits angelegt sein, ohne dabei überladen zu wirken. Diese richtige Balance zu finden und zu halten ist bei keinem Buch so schwer, wie beim Ersten. Die Serie wird ganz gewiss nicht für jeden etwas sein, daher ist es um so wichtiger unser Publikum so früh wie möglich zu finden, damit es um so treuer mit uns durch Dick und Doof Dünn gehen kann.

Die Messlatte an uns selbst legen wir dabei absichtlich hoch, weil wir uns ebenso an Regeln, Formalitäten und Formatierungen halten wollen, wie sie gleichzeitig zu hinterfragen und zu sprengen. Wie das geht? Indem man es einfach tut, und zwar mit den richtigen Leuten! Mit denen macht es nämlich auch noch Spaß. Und die sind hier. Mehr als genug. Fragt razzo, dareiDi und Andy Dufresne – die haben in der Vorweihnachtszeit mit ihrer tollen Wichtelaktion wunderbar diverse Pilotenkabinen durcheinander gewirbelt. Oder das Reisetagebuch von kobbi88, Listen von mariega, oder die mit Soundtrack unterlegten Gedichtbesprechungen von Deathpool? Jede einzelne Aktion ist ein weiterer Beleg dafür, wie kreativ die Community den Rahmen dieser Plattform sprengt und sie ihren Wünschen anpasst – und dieser Charme ist mir tausendmal lieber als der nächste selbstverliebte Filmblog, weil hier immer der Fancharakter, die Liebe zum Film im Vordergrund steht. Hier fühle ich mich Zuhause.

Und W. ist beileibe nicht mehr das einzige Projekt, dass sich hier nicht auf das Schreiben von Kommentaren zu Filmen und Serien beschränken lässt. Über Ostern planen Einar, Andy Dufresne und ich unter eurer aktiven Mithilfe hier eine würdige letzte Folge für Al Bundy zu schreiben, die einem Serienklassiker ein überfälliges, verdientes Ende verleihen wird. Wie genau wir das organisieren werden, wissen wir jetzt noch nicht, aber davon werden wir uns nicht abhalten lassen es einfach trotzdem zu tun. Das kann mächtig in die Hose gehen, aber Spaß machen wird es, jede Wette. Wenn dabei etwas Lesenswertes heraus kommt, werden wir uns in loser Folge weiterer solcher “Spec-Scripts” annehmen – also dem, was irgendwo zwischen Initiativbewerbung und Schreibübung angesiedelt ist: Ohne Auftrag das Drehbuch zu einer neuen Folge eines bereits existierenden Formats zu schreiben. Wir werden eins der nächsten dann Schotty, dem TATORTREINIGER widmen, und es an den NDR bzw. besser gleich an das Team selber schicken.

Außerdem harrt noch eine brillante Idee mit der mich boxcarsboxcars letzten Monat überrascht hat ihrer Umsetzung. Dabei ist das alles nur die Spitze des Eisberges – ach was sag ich – des Vulkans an Möglichkeiten, der hier schlummert. Es brodelt unter der Oberfläche, und ehe man sich versieht, kocht man selbst plötzlich mit, und wir hauen alles raus, mit glühenden Bäckchen und so heiß, dass man sich daran wärmen kann. So geht Film und Fernsehen, das Spaß macht. Daher noch einmal für alle die in Anlehnung an einen Sportartikelhersteller Bock haben zum Nachsprechen: Mach et einfach! Legt eure Schürzen bereit, zückt den heiligen Kochlöffel, und dann tischen wir das Rezept für ein 7 Gänge Menü auf, das wir gemeinsam zubereiten werden. Schmecken wird das Ergebnis nicht allen, aber dafür dürft ihr alle mal in der Küche zum Naschen vorbei schauen. Auf eigenes Risiko. Weitere Vorschläge schreibt gerne in die Kommentare, oft reicht das schon, um eine Welle los zu treten, von der man dann selber mitgerissen wird. Probiert’s einfach mal aus!

An welcher Stelle und in welchem Rahmen ihr dann auf moviepilot in absehbarer Zeit das Drehbuch unseres Piloten lesen könnt, wird augenblicklich noch hinter den moviepilot-Kulissen diskutiert, vielleicht gibt es sogar eine Überraschung – Abwarten.

Ein Gedanke zu „Demnächst in diesem Theater

  1. Ach ja, die Mitarbeit hier hat mir bis jetzt riesigen Spaß bereitet. Und es wird einfach immer besser!
    Danke dafür:)

    Aber mal am Rande. Habe ich irgendwie was verpasst? Weil in letzter Zeit (letzte drei Monate oder so) irgendwie recht wenig überlegt/diskutiert wird. Jedenfalls nicht auf dem Blog. Wenn ich mich ausserhalb davon noch beteiligen kann, dann würde ich mich sehr über Infos freuen;D

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