Stürzen wir uns in die Finsternis. Was hält unsere Woipating’er dort, wenn doch das Grauen im Wald lauert, von dem sie wissen, dass sie aber behüten und von der Außenwelt abschirmen? Wieso warten sie auf ihre Vermissten, statt sie sich aus der Dunkelheit zurück zu holen?
Ins Licht – Ja oder Nein?
Nun, auf den Gedanken sind sie mehr als einmal gekommen. In einer späteren Staffel gehen wir darauf ein, zeigen die Katastrophe, zu der es damals kam. Nur ehe wir die Zuschauer in die Finsternis mitnehmen, sollen sie Angst vor ihr haben, und mit dieser Angst im Gepäck hinab steigen. Oder fallen. Endlos fallen…
Diese in jedem Menschen wohnende Angst, die sitzt auch an unserem „Ort“ im Wald fest. Unser „schwarzes Loch“, aus dem kein Licht mehr nach außen fällt, unser Wurmloch, unsere Raum-Zeit-Anomalie. Dazu muss man nicht in den Weltraum reisen, auf Anomalien stößt man auch auf der Erde genug. Auf solche der Gravitation ebenso, wie was Robert Anton Wilson so dokumentiert hat. Dieser unser „Ort“ im Wald zeichnet sich also dadurch aus, dass man den Zweifeln, die man in sich trägt ebenso wenig länger ausweichen kann wie jenen, von denen man noch nicht einmal wußte, dass es sie gibt. Das zieht einem den Boden unter den Füßen weg, dann stürzt das Bewußtsein ab, ohne jeden Halt. Was wir nicht denken können, kann man nicht beschreiben, geschweige denn wahrnehmen. Das ist der „Ort“. Dementsprechend ist der „Ort“ nicht fest verankert, es ist kein fixer „Ort“, sondern so flexibel und individuell wie wir. Dennoch ist er immer in der Nähe, wie ein folgsamer Hund in der Nähe seines Menschchens. Und wie neben einem großen, schrecklich anzusehenden Hund fühlt man sich in seiner Nähe sicher. Paradox, aber funktioniert trotzdem. Also wollen die Woipating’er nicht weg, weil diese „berechenbare Schrecken“, andere fern hält, während man den „Ort“ auf einer strengen Diät hält, und an der kurzen Leine.
Zu abstrakt? Dann versuchen wir es mal anders. Ganz gleich wie vorsichtig du bist, das Leben kann dich immer noch auf dem falschen Fuß erwischen. Oder es hält sich nicht damit auf und tritt dir in den Arsch. Wie geht man in W. damit um? Ein wacher Geist, der die Balance hält zwischen gesundem Zweifel und Geduld. Wenn man dann als Elternteil zu sehr Angst um seine Kinder hat, nicht loslassen kann… dann ist man geradewegs dazu prädestiniert, dass man ein paar Jahre auf seinen Nachwuchs verzichten wird. So hält einen der „Ort“ zu einer unvergleichlichen Flexibilität an, man stellt sich seinen Ängsten, lässt sie los… damit sie einen nicht erwischen, wenn man gerade mal nicht aufpasst.
Jetzt noch ein kleiner Exkurs über den Begriff der Hexen, und den sehr spezifischen deutschen Umgang mit diesem „Phänomen“. Hier zunächst als Einführung eine erhellende, dreiteilige Dokumentation (ignoriert die doofen inszenierten Szenen, leider darf man wohl derlei historische Themen nicht mehr anders aufbereiten), in der einige Motive vorkommen, die wir bereits angesprochen haben:
Hexen – Magie Mythen und die Wahrheit
Was für mich daraus folgt ist, dass sich die Menschen in den letzten 1000 (aber lassen wir es gerne 2000 sein) Jahren nur unwesentlich weiter entwickelt haben. Wenn wir einen Sündenbock brauchen, finden wir einen. Ungläubige, Heiden, Hexen, Werwölfe, Juden, Linke, Islamisten, Terroristen – es sind immer irgendwelche anderen. Bis es uns selbst erwischt. Was früher oder später immer der Fall ist. Diese Vorstellung um das 17. Jahrhundert herum, macht mich echt fertig: Die kleine Eiszeit, Hunger, Krankheit und Christentum… dann genügen ein paar Gerüchte, und was einem nicht passt, verschwindet von der Straße, und die, die sich darum „kümmern“, leben auf Kosten der Opfer. Win-Win-Situation nennt man das – aus der Sicht der Denunzianten und Hexenjäger natürlich. Menschenopfer bei Urvölkern sind selbstverständlich bestialisch und unmenschlich – wie barmherzig ist da ein simples Gerücht, und schon gibt man Zunder. Dann romantisiert man den Wahnsinn, und wenig später instrumentalisieren die Nazis das Ganze zu ihren Gunsten. Solcher Wahnsinn hat Methode.
Diese fatale Mischung aus Neid, Unverständnis, Denunziantentum und Obrigkeitshörigkeit ist sehr Deutsch, und über Jahrhunderte konstant. Das ist die Tarnung, die W. nach außen auftragen muss.
Was sie darüber hinaus schützt, sind Traditionen, die älter sind. Legendäre Kräutermischungen und Allheilmittel der Hexen? Fehlanzeige. Vielleicht nur der Phantasie der Nazis entsprungen. Dabei würden wir es sooo gerne glauben. Derlei mag es geben, dann ist es aber älter. Viel älter. Und dann wird die Frage interessant, warum man in Irland und Rußland seine Hexen nicht verbrannt hat. Der Antwort auf diese Frage lohnt sich nach zu gehen. Und die wird problemlos in Einklang zu bringen sein, mit dem Voynich Manuskript, das uns Bandura aufgetischt hat.
Wohl bekomms :)
Danke, trotz der abstrakten Formulierung habe ich nun etwas besser verstanden. Ich fasse zusammen und korregiert mich wenn ich Falsch liege:
„Das Dunkle“ ist eine abstrakte, physisch nicht fassbare Anomalie welche auf den betroffenen Emotionale auswirkungen hat. Sie zwingt dich an allen Dingen zu Zweifeln und lässt einen seine Ängste sowohl erleben als auch reflektieren, denn sie ist praktisch das (verzerrte?) Spiegelbild der Angst der Menschen.
Über die Weiterentwickelung der Menschen lässt es sich gut Diskutieren. Der von dir angesprochene Aspekt ist nicht falsch nur zeigt er nur eine Dimension der Entwickelung auf. In anderen Dingen haben wir uns sehr wohl weiterentwickelt, z.B. Toleranz und unser Verständniss von Menschenrechten und Gesellschaftlichem Konsens. Wenn es dem Mensch heutzutage an einer Kernkompetenz fehlt, dann ist das die Selbstreflexion.
Hier möchte ich einen Vergleich bringen:
So wie das Immunsystem bei den Viren Antikörper ausbildet so bildet der Mensch eine Ablehnende Haltung zu schädlichen Ideen aus und nennt es Erfahrung.
Wenn jedoch ein Virus nur geringfügig mutieren, werden sie von den Antikörpern nicht mehr erkannt. Der Organismus wird krank und bildet dabei neue Antikörper für diesen Virus aus.
Im Übertragenen Sinne ist also das menschliche Gedankengut aus Erfahrung nicht mehr für den Nationalasozialismus empfänglich, aber für einen Großteil anderer mehr oder weniger abgewandelter Formen oder Bruchstücke der Ideologie die von der Erfahrung nicht abgedeckt oder erkannt werden.
Mit mehr Selbstreflexion und etwas logischen und Humanen denken ließe sich der Ideologische Virus beseitigen, anstatt immer nur neue Formen von ihm zu bekämpfen.
Ist zwar Off-topic aber so möchte ich das nicht stehen lassen.
Das sehe ich wohl deutlich pessimistischer, dennoch war ich in meiner Ausführung recht unzulässig eindimensional. Zwar streite ich die von dir aufgezählten Errungenschaften nicht ab, aber es braucht nur eine kleine Abweichung, und alle Zivilisation und aller Humanismus sind futsch. Ob in Kriegs- oder Krisengebieten, Mord und Totschlag, Vergewaltigung, Plünderung und Folter ist alles drin, wie im Mittelalter – nur vielleicht einen Tick hygienischer. Das ist eine dünne Wand.
Nimm den Klimawandel, lass es heiß werden, alles verdorrt… und dann waren die Araber schuld, weil die beim Essen offiziell pupsen und rülpsen, und es sich nicht verkneifen wie unsereins. Zack – Erderwärmung! Sturmflut, Trockenheit. Und das gegenwärtige gesellschaftliche Klima ist so Rechts wie in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts. Ganz Europa rutscht nach Rechts und entwickelt sich zum Pulverfass – nach nicht mal 70 Jahren Frieden. Beschämend. Aber etwas off-topic, sonst jederzeit gerne.
Treffen wir uns also bei Selbstreflexion, da bin ich ganz auf deiner Seite – kann man nicht genug von haben. Nicht jeder ist dafür offen, und wer dann trotzdem dazu genötigt wird, wie an jenem „Ort“, dessen Psyche kann schon einen Knacks kriegen. Oder schlimmeres.
Wenn das Selbst- und Weltbildniss zerstört wird bleiben nur zwei Möglichkeiten: Entweder man klammert sich an ihm fest und geht unter (drastisch gesprochen) oder (Megaloh:) man sucht in den Trümmern um daraus ein Monument zu pressen.
Ich denke Menschen handeln im Rahmen ihrer Umstände. Das in Kriegsgebiete die Überlebensinstinkte die Handlung bestimmen, kann ich keinen verübeln. Dass wenn man wie in Griechenland am Boden ist dort aus Verzweifelung extrem rechts oder links wählt auch nicht. Das ist nur menschlich.
Um das zu ändern muss man entweder die Umstände ändern oder wagen mehr zu sein als nur menschlich, aber das kann nicht jeder (Stichwort Selbstreflexion). Also sollten wir versuchen die Umstände realpolitisch zu verbessern und uns gleichzeitig selbstverbessern.
Unterschreibe ich so.
Ich würde die dunklen Wege ein wenig Zombiefilm-typisch präsentieren, das heisst, dass sich das wirkliche Grauen in den Köpfen, der Gesellschaft und den Aktionen/Reaktionen der Menschen abspielt, also nicht nur in Form des fremden „Übels“. Das mystische Übel sollte aber auch nicht zu kurz oder harmlos kommen, um eine gewisse Neutralität zu bewahren, die (wie schon oft im ersten Artikel besprochen) dem Zuschauer das Partei-Ergreifen schwer machen und eine höhere emotionale Verknüpfung mit Handlung und Charakteren ermöglichen.
Wenn eine typische Schreckenssituation entsteht, sind die Woipatinger dann verständlicherweise aufgebracht. Zwei Lager entstehen: Die Einen verkriechen sich verängstigt in ihre Häuser und verdrängen die Ereignisse. Die Anderen wollen das Ganze bereinigen, einige im Grunde Rache nehmen. Angst und Schrecken sind in beiden Lagern vorhanden, nur dass die Bereiniger/Rächer es verbreiten und die Ängstlichen ein perfektes Ziel für das Angst/Schreckens-Virus sind. Also gerät man in eine Art Teufelskreis, der die Dunkelheit und das Böse zu einer Art abstrakten Fremdkörper macht, welcher sich effektiver auslebt als ein Krebsgeschwür. Was keiner erkennt, ist, dass der Versuch es zu stoppen, die Sache nur verschlimmert, das untätige Gegenteil aber auch. So stellt sich die unvermeidliche Frage, was man den nun machen kann bzw. ob man überhaupt etwas tun kann?!
So könnte es durchaus passieren, dass eine dritte Fraktion, in Form von völlig radikal denkenden Perfektionisten mit Gleichgültigkeit über Leben und Tod entsteht. Diese haben die vielleicht nicht mal so falsche Idee, den gesamten Organismus (das gesamte „Krebsgeschwür“) zu zerstören. Das beinhaltet die Fabelwesen, den Spuk, die Schreckensverbreiter, die Idealisten, die Senioren, die unschuldigen Ladenbesitzer ohne Hintergedanken, ja sogar ein unwissendes Kind. Denkbar sind dabei auch typische Anarchisten, die erst ein Zeichen setzen wollen, vielleicht „gutherzig“ die korumpierte Gesellschaft warnen wollen. Warum dann nicht einfach mit der Entführung eines Jungen anfangen!? ;)
Vielleicht wollen dann ein paar Bewohner des Waldes dem unschuldigen Kind helfen und entwänden es. So tragen die „Waldbewohner/Fabelwesen/was auch immer“, oder ein Teil von ihnen, ein ziemlich grausames Weltbild über die Woipatinger im Herzen, verhalten es dementsprechend, was dann wiederum die Erkenntnis in den Woipatingern schürt, dass sie es mit dem leibhaftigen Bösen zu tun haben. Damit sind wir wieder bei dem Krebsgeschwür-Teufelskreis angekommen und ich hoffe auf angeregte Diskussion und Unterstützung! :)
Ich glaube auch, dass die Woipating’er immer wieder an ihre eigenen Grenzen stoßen, und nicht immer Friede, Freude, Eierkuchen das Leben im Dorf beherrschen. Daran müssen sich auch gerade die Männer physisch abarbeiten können, damit man sich einen FIGHT CLUB sparen kann :) Jungs sind so gebaut, dass sie sich verausgaben können müssen, sich mit oder an etwas messen, abarbeiten, raufen… Aber hier eben nicht gegeneinander, sondern miteinander gegen etwas… in der Natur, bzw. die Natur selbst. Das ist nicht nur schlimm, sondern macht auch glücklich. Jedenfalls mehr als ein Bürojob, jede Wette. Ist bestimmt auch gesünder, so, äh, „in“ der Natur.
Das „Böse“ oder „Übel“ als Krebsgeschwür zu betrachten passt hervorragend zu der Reaktion von außen, also wie Fremde darauf reagieren. Dabei ist auch das „Natur“. Der ist es gleichgültig, ob etwas stirbt, so lange auch etwas wächst. Dieser Kreislauf aus Tod und Leben, dass immer irgendwo was wächst und neues Leben entsteht – das ist Natur, und verfolgt dabei nicht unsere Ideale nach dem Wahren, Guten, Schönen. Der Natur ist auch das Geschwür schön, der Pickel am Arsch ebenso, wie der Pilz im Wald. Das „Unschöne“ aus der Welt zu bringen, ist die klassische Idee von außen, und steht damit im Konflikt zu W. – Diese zwei Parteien prallen in der ersten Staffel aufeinander. Die Konflikte in Woipating selbst deuten wir schon an, aber lassen sie erst aufbrechen, wenn Woipating in der zweiten Staffel nahezu vollständig zerstört wird. Ups. Spoiler.
Nachdem ich schonmal ein wenig Senf zu dem „Auf dunklen Wegen-Steak“ dazugegeben habe, muss ich doch mal wieder meine Euphorie an euch auslassen;) Ich bin nähmlich nach wie vor absolut begeistert von W. und halte es für eine der besten Ideen, die mir je an Augen, Ohren und Gehirn gekitzelt haben. Nachdem ja in den letzten Tagen ein wenig Flaute in meinen Autoren-Gedankengängen geherrscht hat, hat die Macht von Woipating wieder meinen grauen Zellen eine Dusche verpasst, wenn ihr versteht was ich meine…
Wäre ich eine Führungsperöhnlichkeit bei HBO, ich würde diesem Projekt auf der Stelle die grösste Aufmerksamkeit schenken und darum betteln, es zur grossproduzierten Serie machen zu dürfen. Damit würde HBO „natürlich“ auf kerngesunde Ablehnung stossen. W. ist unabhängig! (wie die U.S.A. *hust* :);)
Wenn es uns halbwegs gelingt diesem Lob gerecht zu werden, können wir zufrieden sein. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg, anfeuern schadet aber nicht :)
Hmmmm. Ich muss gestehen, dass mir das Grauen noch zu unscharf ist. Vieles, was du beschreibst, liegt in Ängsten begründet, in den Menschen selbst, in ihren Wahnvorstellungen, dem Hang zu einfachen Lösungen. Irgendwie brauche ich mehr. Einen flotten Dämon. Ein Erdhöhle, in der Nazis im Jungbrunnen baden und auf das 4. Reich warten. Das Tor zur Hölle, das ausgerechnet in einer Lichtung bei Woipating undicht geworden ist. Wenn das Grauen den Ort nur alle 49 Jahre heimsucht, dann muss das schon ziemlich Eindruck hinterlassen, damit das die Menschen die nächsten 49 Jahre in Schach hält und sie dazu bringt, ihr Leben the Woipating Way leben, mit all seinen Entbehrungen. Reicht Paranoia dafür aus? Und warum hat sich Woipatings Problem eigentlich nicht rumgesprochen? Seit wann hat Woipating die Chose eigentlich am Hacken? Oder habe ich alles falsch verstanden, und die Paranoia sollen nur die anderen haben?
Na prima. Jetzt habe ich das Bild von zwei Nazis im Bad vor mir. „Wie lange denn noch? Ich bin untenrum schon ganz verschrumpelt.“ – „Die Ente bleibt trotzdem draußen!“. Dämonen und Hölle sind mir zu christlich, wenn wäre mir ein Bezug zu etwas lieber, dass älter als die Bibel ist, und man sich „nur“ als Hölle vorgestellt hat, weil der primitive Geist der Urchristen (oder wer auch immer) nicht erfassen konnte, was sie da tatsächlich sehen. Mein Problem mit allem visualisiertem Horror ist die konkrete Form, die man ihm geben muss, und ab dem Moment verliert es für die Mehrheit der Zuschauer seinen Schrecken. Zeigt man eine Schlange, atmen all jene auf, die nur Angst vor Spinnen haben und umgekehrt. Das beginnt ja schon damit, wenn man „ihm“ einen Namen gibt. Deswegen spreche ich nur schwammig von einem „Ort“, weil ich mir zum jetzigen Zeitpunkt eine Präzisierung verbitte, um uns nicht voreilig zu beschränken. Das gilt auch für die 7×7 und 49 Jahre – nach welcher Zeitrechnung? Die letzte Apokalypse, die wir unbeschadet überstanden haben liegt gerade mal ein Jahr zurück. Das war schon mein… ich glaube achter Weltuntergang? Tut mir leid, ich hab da inzwischen etwas den Überblick verloren :)
Unser Gehirn lügt mit jedem Bild, dass es uns errechnet. Das ist nie objektiv, sondern nur, was es für uns als relevant erachtet. Von anderen Wellenlängen, Geschwindigkeiten und Dimensionen ganz zu schweigen. Hast du schon mal ein Experiment mit dem „blinden Fleck“ im Auge gemacht, wenn es Muster kreativ ergänzt? Streng betrachtet ist unser ganzes Sehen eine optische Täuschungen. Wir sehen nur das, was wir auch verarbeiten können. Angst geht darüber hinaus. Und Glaube. Beides ist „irrational“ und „unbegründet“ – das eine verunsichert uns (zu unrecht?), das andere gibt uns falschen(?) Halt. Der Drang alles verstehen zu müssen ist Größenwahnsinn. Wir können nicht alles denken. Punkt. Trotzdem kann man die Grenze verschieben. Langsam. Jeder Generation geht das zu langsam, und ist doch gleichzeitig unfähig die bereits stattfindende Bewegung überhaupt wahr zu nehmen, der nächsten Generation springt es bereits ins Auge – im Vergleich zur Vorletzten.
Daher verstehe ich den „Woipating Way Of Life“ als eine Symbiose mit dem „Ort“ – es kann süchtig machen, wenn man seine Ängste besiegt, verliert, damit „etwas“ füttert. Das kann ein sehr altes Ritual sein, dann selbstverständlich immer was mit Blut, und so kann man seine Monster auf strenger Diät halten, während man selbst recht glücklich durchs Leben kommt.
Um unseren Hunger im Bild nach „Dämonen“ und derlei zu stillen, gibt es ja die Lindwürmer – haben unsere Vorfahren häufiger mal gesehen (wie Menschen anderswo den Yeti oder Bigfoot), Straßen nach ihm benannt, und wären damals weniger erschrocken, als wir heute. Dann sehen wir unsere „Dämonen“.
Sehr spannend finde ich die Frage, seit wann Woipating die Sache am Hacken hat, bzw. ob Woipating schon immer dort war, oder durchaus von woanders her kam, und man es nur vergessen, bzw. sich „kreativ anders“ weitererzählt hat? Darauf will ich in den zukünftigen Staffeln eingehen, wenn die (objektiven) Rückblenden von der (subjektiv) erzählten Vergangenheit abweicht. Und das um so mehr, je weiter wir uns in die Vergangenheit bewegen.
Ich will die Dämonen’/Lindwürmer/Nazis ja gar nicht zeigen. „The Fog“ wäre nicht halb so gruselig, wenn man die leprakranken Geister ständig durchs Bild schlurfen sehen würde. Die Angst der Leute vorm Nebel ist furchteinflößender als alles andere. Nichtsdestotrotz ist irgendwann eine Entscheidung getroffen worden, wer und was und warum den beschaulichen Küstenort heimsucht. Ich weiß, du willst so etwas so lange wie möglich offen halten, aber mir fehlt hier so ein bisschen Butta bei die Fische bzw. Monster auffe Lichtung. Nee, Monster muss nicht mal sein. Angenommen, der Erdboden würde sich auftun und die Menschen einfach mal so verschlucken. Niemand weiß wo und wann das passiert und nach welchem Kriterium. Der Boden zeigt vorher keine Auffälligkeiten und nachher auch nicht. Das finde ich schaurig genug. in einem Kommentar stand was von „Boden unter den Füßen“ verlieren. Nichts und niemand ist sicher. Da muss kein Zuschauer wissen „was zum Teufel war das‘?“. Aber ich als Autorin, finde ich, sollte es wissen. Ich bekenne, ich stehe voll auf den allwissenden Erzähler.
Apropos the „The Fog“ – Ist Woipating zufällig heimgesucht worden oder ist die Chose ein Fluch, den sich die Leutchen selbst zuzuschreiben haben? Haben die einen Druiden auf der Durchreise erschlagen, im Hungerwinter 1312 ein unschuldiges Kind geopfert oder die einzige echte Hexe der Region mit richtig funktionierenden magischen Kräften verbrannt? So etwas finde ich reizvoller (Das Thema Schuld ist immer flott) als zufällige Heimsuchung.
Was habe ich mich als Kind bei THE FOG vom Teppichknüpfer gegruselt – schönes Beispiel, ebenso wie DER WEISSE HAI; nichts ist unheimlicher als die Indianapolis Rede vom Kapitän, und man sieht nichts. Perfektes Drehbuchhandwerk außerdem, der Kontrast aus dem Gelächter mit den Narben und Tätowierungen könnte nicht größer sein. Und unsere Stürze „ins Erdreich“ möchte ich gerne so erzählen. Mit der Suggestion eines Schauspielers, der wie am Lagerfeuer sitzend erzählt, im Wald, und wir hängen an seinen Lippen, und drehen uns bald öfter um, spähen zwischen die Bäume, hören Geräusche… und dann tut sich der Waldboden unter einem auf. Hast du den zweiten Tagebucheintrag auf woipating.de (dort das Ortsschild anklicken) gelesen? Ich denke das geht schon in diese Richtung.
Wir sind allwissende Erzähler! Ganz klares Bekenntnis dazu! Wir müssen nicht jedes Detail wissen, aber in groben Zügen wo wir nach sieben(?) Staffeln aus der Nummer rauskommen schon. Da bin ich ganz bei dir. Also lüfte ich das Geheimnis, was dort im Waldboden auf uns lauert: Ein Kaninchen. Bin aber für bessere Vorschläge offen :)
PS: An sich gefällt mir die von Venom vorgeschlagene „Tulpa„-Idee am Besten.
Mit den neuen Informationen könnte man den Charakter desjenigen der heimlich für das Dunkle arbeitet oder es versucht zu benutzen (was natürlich zum scheitern verurteilt ist) weiter auszuarbeiten. Es soll ja Menschen geben die dieses Gefühl der Unsicherheit, der Zweifel, der Angst genießen. Die süchtig danach sind. Ein Woitpatinger der in der gehüteten, geregelten Gemeinschaft aufgewachsen ist könnte anfällig für diese tiefe Verzweifelung sein. Was in jungen Jahren als Akt der Rebellion bzw. Freiheit gegen die Hierachie begann entwickelte sich über die Jahre unbemerkt zum Teil der Identität. Das tiefe Zweifeln an der Menschlichkeit, die depressionsartige Traurigkeit und doch dieses kitzeln im Bauch wenn man in das tiefe Schwarze emotionale Loch sieht. Das dunkel hinterlässt auch Spuren im Verstand. Eine zynische, destruktive Weltsicht entsteht. Natürlich merkt man ihm nichts an, denn wie jeder Junkie ist er auf Verzweifelung umgänglich. Doch wehe er ist auf Entzug, dann zeigt er sein wahres Gesicht.
Dies ist eher eine Ideenkollage statt einer ausgearbeiteten Figur, aber ich denke da könnte man einiges heraus nehmen um es ins größere Bild zu kleben. Wenn es denn hineinpasst.
Sucht nach dem Dunkel… das gefällt mir. Klasse Idee, ist gesetzt! Wie ein Adrenalin-Junkie, die Nah-Tod-Erfahrung, sich nur dann lebendig fühlen. Prima!
Hast du noch einen Vorschlag wem wir das anheften?
Bei Sucht nach Dunkel muss ich an Mütter mit Psychoproblem denken, die ihr Kind absichtlich krank machen bzw. halten, damit sie immer wieder zum Kinderarzt rennen können und mit Kind im Mittelpunkt stehen.
Das Dunkle, das W. in eine Art Dornröschenschlaf bringt, macht das Leben ja auch angenehm übersichtlich. All das, was die Menschen heutzutage überfordert und stresst – Technik, Geschwindigkeit, Flexibilität – wird durch das Dunkle ja auf Abstand gehalten. Für die schlichteren Charaktere im Ort auch eine Art Schutz vor dem Schrecken der Moderne. Es gibt bestimmt auch Menschen im Ort, die ihr Ansehen, ihre Autorität überhaupt erst dem Dunklen und der Bedrohung verdanken. Ich habe noch nicht ganz durchschaut, ob der Priester eigentlich mehr oder weniger Macht hat durch das Dunkle. Aber die Alten wären ohne die Bedrohung längst im Heim. Die Kräuterfrauen bräuchte auch niemand mehr und müssten im Wellness-Hotel arbeiten gehen. Habe aktuell nicht die gesamte Figurenpalette parat – haben wir eine Art Schamane? Der hätte in jedem Fall auch weniger zu tun bzw. würde womöglich für einen Spinner gehalten.
Also es sollte ein Original Wotpatinger sein, als Kind etwas Aussenseiter der das dunkle für sich als Teil der Identiät entdeckt. Das liesse sich mit dem Konzept des Characters verbinden der heimlich für das Böse arbeitet um es größer zu machen um einen höheren Schuss zu erhalten.
Das sind die Bedingungen ansonsten ist die Wahl frei. Also weil ich den Bauern im Vorherigen Post skizziert habe, auch in diese Richtung offen, plädiere ich für ihn.
Also wenn ich drüber nachdenk passt es nicht so ganz zum Bauer. Zum Beruf hab ich da keine genaue Vorstellung, aber Zentrale Themen die damit verbunden werden könnten (auch in Rückblenden) wären Identitätssuche in Woitpating verbunden mit der Rebellion gegen die W. Welteinstellung. Wie Nazis solchen Aussenseitern durch Gemeinschaft und ihrer Ideologie (über die muss man ja keine Worte mehr verlieren -.-) eine Identität verleihen so macht es die Anomalie mit der Verzweifelung. Dadurch schafft er es ein Selbstbewusstsein aufzubauen und von Gemeinschaft akzeptiert zu werden. Da dass keiner ahnt ist er Teil der Gemeinschaft, durch seinen Beruf vielleicht sogar ein wichtiger.
Hm…ich glaube langsam auch, dass wir mal Tatsachen auf den Tisch hauen müssen. Subtil hin, langsame Entwicklung her, wir brauchen etwas Handfestes!
Ein wenig Einzelarbeit an der Personifizierung des Bösen und der eher düsteren Charaktere ist meiner Meinung nach einfach nötig…
Aber warum wird W. heimgesucht? Ob Kaninchen oder Lindwurm ist mir persönlich noch relativ egal. Aber warum hier? Und was hat das Kaninchen so werden lassen?
Als alte Protestantin habe ich natürlich sofort den Reflex zu denken: Da wird sich wohl jemand daneben benommen haben und wird jetzt bestraft. Das könnte für schlechte Stimmung in W. sorgen, weil bestimmte Familien womöglich mehr Schuld auf sich geladen haben als andere und trotzdem alle jetzt in der Tinte sitzen. Dann kann es unterschiedliche Haltungen und Techniken geben, wie man die Schuld abträgt. Die einen beten, die anderen beschwören sonstwelche Geister, andere erdulden oder kämpfen aktiv dagegen an.
Gute Idee! Wenn es sozusagen mehr oder weniger Schuld tragende gibt, dann könnten so Manche von der Gemeinschaft ausgeschlossen oder nicht gleichwertig behandelt werden. Ein subtiles Mobbing. So wird für den Zuschauer auch wieder diese Spannungsebene geöffnet: Wer verbirgt was?
Bin ich der Einzige der wartet, bis mal wieder jemand etwas schreibt? :)
Nein, bist du nicht! Ich habe einen neuen Artikel so gut wie fertig, hinter den Kulissen tut sich was im Backend der Installation (immer noch alles in Folge der Anregung von Bandura), was den Blog „sicherer“ gemacht hat, und im Zuge der Umstrukturierung habe ich mich von einem Plugin getrennt, der dummerweise auch für die Feeds zuständig war – da bastele ich gerade Ersatz. Dann tut sich noch einiges via E-Mail, was abzuarbeiten ist, und, und, und…
In Kürze geht es weiter, keine Sorge. Hier etwas Pausenmusik:
https://www.youtube.com/watch?v=pEn6j_G1d2Y
(Danke für’s Aufstöbern, „Vernünftiger Jens“ ;)